Informationen zum Thema „Rechtssichere Dokumentation“
Wozu ist die rechtssichere Dokumentation bei häuslicher Gewalt gut?
Häusliche Gewalt findet meistens hinter verschlossenen Türen statt – ohne Zeugen oder Zeuginnen. Wenn Sie eine Anzeige erstatten wollen, nach Trennung und Flucht sorge- und umgangsrechtliche Konflikte haben oder von einer Aufenthaltsgefährdung betroffen sind, müssen Sie die erlebte Gewalt glaubhaft machen können.
Dabei unterstützt die ärztliche Dokumentation der Verletzungen. Körperliche Verletzungen sprechen ihre eigene Sprache, belegen Ihre Schilderungen und geben Hinweise auf das Geschehen:
- weil die Verletzung aussieht wie der Gegenstand, der sie verursacht hat,
- weil blaue Flecken in verschiedenen Heilungsstadien sind und nahe legen, dass Gewalt zu unterschiedlichen Zeiten stattgefunden hat,
- weil die Lage der Verletzungen (z.B. an den Unterarmen) auf Abwehr hindeutet,
- weil nach Würgen Stauungsblutungen auf bestandene Lebensgefahr hindeuten.
Was Sie zur rechtssicheren Dokumentation wissen sollten?
SIGNAL e.V. hat eigens einen SIGNAL-Dokumentationsbogen bei häuslicher Gewalt gemeinsam mit der Rechtsmedizin und der Staatsanwaltschaft entwickelt. Er enthält alle wesentlichen Details und reduziert die Gefahr einer unvollständigen Dokumentation. Ärztliche Atteste reichen oft nicht aus. Der SIGNAL-Dokumentationsbogen ist zusätzlich zur üblichen ärztlichen Befunddokumentation. Ärztinnen und Ärzte sind grundsätzlich nicht verpflichtet, den SIGNAL-Dokumentationsbogen zu nutzen. Es gibt aber zahlreiche Arztpraxen und Rettungsstellen, die damit arbeiten.
Was sollte in einer rechtssicheren Dokumentation unbedingt enthalten sein:
- Wichtige Daten: der Name der behandelnden Ärztin/des Arztes, Zeit und Ort der Behandlung und Patientinnendaten
- eine genaue Beschreibung der Verletzungen. Im Idealfall werden Fotos erstellt.
- Angaben zum Geschehen: Was? Wann? Wie? Wo? Durch wen? Wichtig: keine Übertreibungen und lieber wenige Angaben als Angaben, die später zurückgenommen werden.
Die Kosten für die Erstellung einer rechtssicheren Dokumentation werden – wie auch im Fall ärztlicher Atteste - von den Krankenkassen nicht übernommen. Etwaige Kosten müssen selbst getragen und sollten deshalb vorab geklärt werden.
Die Erstellung einer rechtssicheren Dokumentation ist unabhängig von der Entscheidung für oder gegen eine Anzeige.
Ausnahme: Wenn ein Gewaltopfer nach einer Misshandlung Anzeige erstattet (z.B. im Rahmen eines polizeilichen Einsatzes), kann die Polizei eine Frau verpflichten, mit ihr ins Krankenhaus/zur Ärztin zu fahren zur Dokumentation. In diesen Fällen ist der Arzt/die Ärztin zur Attestierung und zur Herausgabe der Ergebnisse verpflichtet.
Die Dokumentation, Fotos und Einverständniserklärungen verbleiben in Ihrer Patientinnenakte (max. 10 Jahre). Notieren Sie sich sicherheitshalber, wo die Dokumentation gemacht wurde.
Im Bedarfsfall erhalten Sie eine Kopie.
Ärztinnen und Ärzte ebenso wie ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen unterliegen der Schweigepflicht. Im Regelfall bedarf es einer Schweigepflichtsentbindung, damit die Dokumentation herausgegeben oder Auskünfte gegenüber Polizei, Gericht, Ausländerbehörde, Jugendamt usw. erteilt werden dürfen. Eine Ausnahme besteht bei Vorliegen eines Beschlagnahmebeschlusses der Polizei.
Eine einmal erteilte Entbindung von der Schweigepflicht kann jederzeit schriftlich widerrufen werden.
Wo ist eine rechtssichere Dokumentation zu bekommen?
In der Gewaltschutzambulanz der Charité - Universitätsmedizin Berlin Außenstandort Turmstraße, Moabit
Die Gewaltschutzambulanz bietet nach Terminabsprache auch aufsuchend vor Ort (Krankenhaus, Zufluchtswohnung, Frauenhaus, Arbeits- und Dienststelle) die Möglichkeit der Erstellung einer rechtssicheren Dokumentation an.
Zur Zeit arbeiten folgende Rettungsstellen mit dem SIGNAL-Dokumentationsbogen:
- Charité Campus Benjamin Franklin in Berlin-Steglitz,
- Charité Campus Virchow-Klinikum in Berlin-Wedding,
- Kath. St. Gertraudenkrankenhaus in Berlin-Wilmersdorf,
- Ev. Waldkrankenhaus in Berlin-Spandau
Es gibt für Ärztinnen und Ärzte keine gesetzliche Meldepflicht für begangene Straftaten, auch nicht bei schweren Straftaten mit Einsatz von Waffen, bei denen es zu Schuss- oder Stichverletzungen kommt. Gleiches gilt für Vergewaltigungen, Kindesmisshandlung und sexuellen Missbrauch.
Ärztinnen, Ärzte und Pflegende sind jedoch – wie alle Menschen – zur Meldung verpflichtet, wenn sie Kenntnis von einer geplanten schwerwiegenden Straftat gegen Leib und Leben erhalten (§ 138 StGB z.B. drohender Mord oder Totschlag, drohender Raub oder räuberische Erpressung).
Nach § 34 StGB „Rechtfertigender Notstand“ kann ein Arzt oder eine Ärztin in diesen Fällen die Schweigepflicht straffrei brechen.
Was ist bei Vergewaltigung?
Sie können sich auch nach einer Vergewaltigung die körperlichen Verletzungen dokumentieren lassen.
Nach sexualisierter Gewalt kann eine Spurensicherung in den ersten 72 Stunden rund um die Uhr nach Anzeige bei der Polizei in den Rettungsstellen der Charité stattfinden.
Eine vertrauliche Spurensicherung (ohne polizeiliche Anzeige) nach sexualisierter Gewalt kann in den Rettungsstellen der Charité in den ersten 72 Stunden Montags bis Freitags zwischen 8 bis 18 Uhr stattfinden, nur nach vorheriger Terminvereinbarung, Krankenversicherungskarte notwendig.